„Fair Trade, Bio… was steckt da eigentlich dahinter?“ Das fragen uns immer wieder kritische Kunden. Mit Recht, meinen wir, denn kritische Fragen sind wichtig, um herauszufinden, ob eine Behauptung ehrlich gemeint ist. Auch für uns selbst ist es wichtig, zu wissen, was dahintersteht: ob die Standards, die für Fairen Handel und biologischen Anbau gelten, auch wirklich eingehalten werden. Und wir möchten wissen, wie es den Menschen geht, die in fernen Ländern unsere Produkte herstellen. Deshalb machten wir uns im März 2017 auf die Spuren unserer bio-fairen Kaffees Pueblo, Mundo und Espresso Italiano.
Einmal pro Jahr machen wir eine Reise, bei der wir ProduzentInnen, Kooperativen, Fair Trade Organisationen besuchen. Diese Reisen sind besonders eindrücklich und aussagekräftig, weil wir uns vor Ort – oft in weit abgelegenen Gegenden – ein Bild der Situation aus erster Hand machen können. Wir treffen die ProduzentInnen direkt am Feld, bei ihnen zuhause oder in ihren Werkstätten. Sie erzählen uns von ihrem Leben, ihrer Arbeit, ihren Träumen, Enttäuschungen, Erfolgen und vielem mehr. Unsere heurige Reise führte uns nach Guatemala, unter anderem zu den Kaffeeproduzentinnen in der Region Zacapa, in Sichtweite zur honduranischen Grenze.
In den Bergen Guatemalas
Der Kaffeeanbau ist eine extrem harte Arbeit, in steilem, schwer zugänglichen Gelände. Mit einfachen Werkzeugen werden die sensiblen Pflanzen gepflegt, der Boden bearbeitet. Das wichtigste Werkzeug ist die Machete, mit der Pflanzen gestutzt, Unkraut geschnitten und kleine Büsche und Bäume gefällt werden.
Die Fair Trade Kooperative, die wir besuchen, hat ihren Sitz in einem kleinen Ort namens La Unión, in den Bergen. Dorthin führt eine löchrige Asphaltstraße, über die wir in einem der ortsüblichen, komplett überfüllten Minibusse rumpeln.
Von La Unión geht es noch einmal zehn Kilometer weiter, zur Kaffeebäuerin Carmelina. Sie lebt inmitten ihrer Kaffeepflanzungen, in den Bergen hinter La Unión, erreichbar nur auf steilen, von Schlaglöchern übersäten Schotter- und Lehmpisten. Wir fahren auf einem alten Toyota-Pickup mit großer Ladefläche zu Carmelina. Auf der Ladefläche sind wir schließlich circa 20 Personen, inklusive hochschwangerer Frau und einem Baby.
Modernisierung dank Fairem Handel
70% des kultivierten Landes in Guatemala befinden sich im Besitz von 2% der Bevölkerung. In keinem anderen Land Zentralamerikas ist der Reichtum so ungerecht verteilt. Eine Kooperative, ein Zusammenschluss von Kleinbäuerinnen und -bauern, ist die einzige Chance, aus dem ewigen Kreislauf der Armut herauszukommen. Die Kooperative von Carmelina wurde in den 1980er-Jahren gegründet, von einigen beherzten Bauern und Bäuerinnen. Damals, erzählt uns Mirian, die Managerin der Kooperative, gab es ein einziges Telefon, unten im Tal. Maschinen, Waschanlagen, Trockungsflächen für den Kaffee gab es keine.
Heute sind über 140 Mitglieder Teil der Genossenschaft. Das gemeinsame Arbeiten, die gegenseitzige Unterstützung, die selbstauferlegten hohen Qualitätsstandards und die gemeinsame Vermarktung lassen die Genossenschaft inzwischen anders dastehen: Im Zentrum des Ortes Unión Zacapa besitzt sie ein zweistöckiges Stadthaus, im oberen Stock befindet sich das Büro, der Rest wird an eine Bank vermietet. Inmitten der Kaffeefelder steht eine eigene moderne Kaffeeverarbeitungsanlage für die ersten Schritte der Verarbeitung: Schälen und Waschen. Mit Kredithilfe der österreichischen EZA Fairer Handel GmbH konnte die Kooperative außerdem einen Gewerbebau im Tal ersteigern, in dem in naher Zukunft der Aufbau professioneller Trocknungs- und Sortierungsflächen geplant ist.
Bio-Kaffee, von Anfang an
Carmelina, die Kaffeebäuerin, die wir besuchen, ist 52 Jahre alt, alleinerziehende Mutter von sechs Kindern – fünf Töchtern und einem Sohn – und baut bio-fairen Kaffee an. Jenen, den wir in den bei uns erhältlichen Sorten Pueblo, Mundo und Espresso Italiano trinken. Stolz zeigt sie uns ihre Kaffeehänge, erklärt uns im Detail, wie sie die sensiblen Kaffeepflanzen züchtet und pflegt. Welchen Aufwand es bedeutet, nicht die geringste Chemie einzusetzen. Wie sie selbst die Regenwürmer aufzieht, die dann den Biokompost für ihre Kaffeepflanzen erzeugen. Welches genaue Verhältnis zwischen Licht und Schatten für den Anbau notwendig ist. Und welche Schinderei die vier Monate der “Cosecha”, der Ernte, sind, während der die gesamten Steilhänge fünfmal händisch – Strauch für Strauch – durchgearbeitet werden.
Auf die Frage, ob sie grundsätzlich konventionellen, mit Pestiziden und Kunstdünger angebauten Kaffee auf Bio-Produktion umstellen würde, antwortet Carmelina nach kurzem Nachdenken: Nein, denn der Aufwand wäre zu hoch und vor allem die Durststrecke, während der die Pflanzen kaum tragen und die Böden sich erholen müssten, wäre zu lang. Sie würde das nicht durchhalten. Wie sie das dann gemacht hat mit ihrem Bio-Kaffee? Carmelina sieht uns groß an: Sie habe immer schon Bio-Kaffee angebaut, von Anfang an. “Das sind wir der Umwelt, den Tieren, den Böden und Pflanzen um uns herum doch einfach schuldig.” Und außerdem, fügt sie dann hinzu, lässt es sich dank der höheren Preise für Bio- und Fair-Trade-Kaffee einfach besser leben.
Am Abend feiern wir den 26. Geburtstag ihres Sohnes bei ihr zuhause. Mit dabei ist die ganze Familie, wir aus dem fernen Europa, die Managerin der Genossenschaft und die Erntehelfer aus dem benachbarten Dorf. Nur der Vater ist nicht dabei, er hat vor Jahren beschlossen, sein Glück ohne Familie im fernen Mississippi, im Süden der Vereinigten Staaten von Amerika, zu suchen.
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