Wie bio-faire Gummibärchen eine friedliche Revolution auslösten: ein Lehrstück über (un)faire Verteilung

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Vor einigen Tagen stand ich einer Klasse von etwa 30 Schülerinnen und Schülern Rede und Antwort zu Themen des Fairen Handels. Workshops über Fairen Handel beginne ich zur Auflockerung und Einstimmung ganz gerne mit dem Verteilen von bio-fairen Gummibärchen. (Unglaublich, wie sich coole 17-jährige über Gummibärchen freuen können!)

(Un-)faire Verteilung

Nachdem das Verteilen von bio-fairen Gummibärchen bei Workshops über Fairen Handel aber nicht nur plumpe Bestechung sein soll, damit die Jungs und Mädels den Rest der Zeit über brav sind, ist die Aufteilung etwas speziell: Als Grundlage dafür dient mir eine Grafik, in der es um die weltweite Verteilung des individuellen Reichtums geht:

In der Grafik wird die Verteilung des globalen privaten Vermögens im Jahr 2000 in Prozent pro Zehntel der erwachsenen Bevölkerung gezeigt. (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Vermögensverteilung)

Die Hälfte verfügt über ca. 1% des Reichtums

Demnach besitzt das reichste Zehntel der Weltbevölkerung ca. 85% des Gesamtreichtums.
4 Zehntel der Weltbevölkerung besitzen ca. 14%. Und die Hälfte der Weltbevölkerung verfügt über ungefähr 1% des Weltreichtums.

Was das nun für meine nach Gummibärchen hungernde Gruppe von 30 SchülerInnen, die im Klassenraum auf drei Gruppen aufgeteilt waren, bedeutete: 15 SchülerInnen bekamen genau zwei Gummibärchen, die ziemlich verloren auf einem großen, weißen Teller lagen. 12 SchülerInnen kamen immerhin auf 28 Gummibärchen, etwas mehr als 2 Stück pro Person. Noch immer kein Festessen, aber doch ein kleines Häufchen auf dem Teller. 3 SchülerInnen hatten schließlich einen Teller vor sich, der überquoll: 170 Gummibärchen für sie zu dritt.

Extreme Ungerechtigkeit und ihre Folgen

Wie ging es nun weiter mit meiner Gruppe? Die 15 mit den 3 Gummibärchen wollten sie gar nicht essen und schauten etwas fassungslos auf den Berg der 3er-Gruppe ihnen gegenüber: War das wirklich wahr? Erste Rufe: „He, gebt uns ein paar von euren…!!!“

Die 14 in der Mitte aßen einige ihrer Gummibärchen und teilten sie dann mit den „Armen“. Und die 3 mit dem großen Haufen? Zwei von ihnen ließen es sich richtig schmecken und hauten rein, eine wollte nichts… Trotz Zurufen und Aufforderungen von der „armen“ Seite gaben sie aber nichts ab. Schließlich nahm sich eine Jugendliche aus der „armen“ 15er Gruppe ein Herz, ging hinüber und nahm ihnen einfach widerstandslos den Teller weg.

Verstehen, wie sich Armut anfühlt

Frei nach Konfuzius‘ Weisheit „Erkläre es mir und ich werde es vergessen, zeige es mir und ich werde mich erinnern, lass es mich tun und ich werde es verstehen“ hilft das Gummibärchen-Experiment den SchülerInnen zu verstehen: Extreme Unterschiede in der Reichtumsverteilung hinterlassen auf der armen Seite ein tiefes Gefühl der Ungerechtigkeit und Empörung. In der Mittelschicht scheint es ein spontanes Solidaritätsgefühl zu geben und einen Willen, mit den Armen zu teilen. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass hier der Kontakt mit Armut oder die familiären Erinnerungen an frühere Armut noch präsent sind.

Doch auch auf der reichen Seite können nicht alle ihren Überfluss uneingeschränkt genießen, obwohl der Reichtum offiziell ihnen gehört.

Was hat Verteilungs-Ungerechtigkeit mit dem Fairen Handel zu tun?

Den Jugendlichen, vor allem jenen, die im Experiment auf der armen Seite stehen, braucht man es nicht mehr zu erklären, sie verstehen es schon: Gerechter Handel zwischen Arm und Reich, gute Arbeitsbedingungen und faire Löhne, würden das empörende Ungleichgewicht auf ihren Tellern kleiner werden lassen.

Es würde heißen, dass sie einen sicheren Arbeitsplatz hätten, ihre Familien ernähren und ihre Kinder in die Schule schicken könnten. Es würde heißen, dass sie zu Hause bleiben könnten und nicht hinüber gehen müssten, um von dort etwas zu holen, wo sich die Teller biegen.

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