Wo Arbeitsverlust die Existenz bedroht

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Ein neues Rekord-Hoch an Arbeitslosen in Österreich: bereits über eine halbe Million ÖsterreicherInnen sind derzeit ohne Job, Tenzend steigend. Während wir uns auf Sozialhilfefonds, Arbeitslosengeld etc. stützen können, bedeutet Arbeitsverlust in anderen Ländern schlicht die Bedrohung der eigenen Existenz. Produktionsstätten in genau diesen Ländern müssen nicht nur vorübergehend ihre Fabriken schließen, sondern werden auch von ihren Auftraggebern abserviert.


Zara, Primark, C&A, Gap und viele weitere Mode-Riesen haben Aufträge bei Textilfabriken und Nähereien in den Entwicklungsländern storniert. Zahlreiche Fabriken sind derzeit wegen Covid-19 geschlossen und müssen jetzt zusätzlich mit der Ungewissheit kämpfen, bei einer späteren Öffnung keinen Abnehmer für die bereits vorfinanzierte Ware mehr zu haben. Am schlimmsten trifft es Myanmar, Kambodscha und Bangladesch – alles Länder, deren Abhängigkeit von der Textilindustrie sie in eine fatale Krise stürzen wird. Ein Beispiel: Textilien machen über 80 Prozent der Gesamtexporte in Bangladesch aus. Fallen diese aus, bedeutet das Millionen Arbeitslose.

„Ich kann nachts nicht mehr schlafen“, sagt Mostafiz, Leiter einer Jeansfabrik, der nun seine MitarbeiterInnen nicht mehr bezahlen kann. Zu jeder arbeitenden Person gehören durchschnittlich fünf Familienmitglieder, die alle vom Lohn aus der Näherei abhängig sind. Ware, die die Jeansfabrik bereits vorfinanziert hat, wäre genug vorhanden. Doch laut Entschluss des Auftraggebers darf diese vorerst nicht verschifft werden. (Spiegel, 06.04.2020)

Es ist die größte Katastrophe der Textilindustrie seit Bangladesch 2013 – und noch nie war es so wichtig zu fragen: #whomademyclothes!
(Foto: Fashion Revolution)

Sind Fair Trade ProduzentInnen auch betroffen?

Auch die fairen Händler müssen aufgrund geschlossener Geschäfte enorme Einbußen in Kauf nehmen. Im Gegensatz zu den konventionellen Modehändlern können Fair Trade Textil-Unternehmen ihre Aufträge aber noch aufrecht erhalten. Ein klarer Vorteil der Slow Fashion: der Großteil der Mode kann auch nächstes Jahr noch verkauft werden, ist nicht so verderblich wie die „trendbewusste“ Wegwerfmode. Langfristig wird es aber auch für Fair Fashion mehr als schwierig.

Wie reagiert der Faire Handel?

Fair Fashion Unternehmen haben zur Corona-Krise und zur Fashion Revolution Week Stellung genommen. Wir fassen zusammen, wie unsere Fair Trade Partner auf die derzeitige Situation reagiert haben.

ARMEDANGELS (Damen- und Herrenmode)

Im Vergleich zu konventionellen Modeketten wird Armedangels immer noch als „kleines Label“ bezeichnet. Dabei hat das erfolgreichste europäische Fair Trade Modeunternehmen in unseren Kreisen bereits Kultstatus erreicht! Armedangels informiert seine KundInnen über sämtliche Herstellungsschritte und -Standorte, ganz im Sinne von #whomademyclothes.

Auch die Covid-19 Krise trifft den Fair Fashion Riesen: “Als eine der größten Industriekatastrophen der Geschichte hat der Rana Plaza Einsturz ein Beben in der ganzen Textilindustrie ausgelöst. Nun folgt die nächste Katastrophe. Es ist Zeit dem Fast-Fashion Wahnsinn ein Ende zu setzen“, sagt CEO Martin Höfeler.

Ein Einblick in die Produktion der Fashion Revolution T-Shirts von Armedangels

Um die eigenen Partner während der Corona-Krise zu unterstützen, hat das Fair Fashion Unternehmen bereits gezielte Maßnahmen gesetzt. Eigene alte Lagerbestände an T-Shirts wurden zur Fashion Revolution Week neu bedruckt und wieder verkauft: die Erlöse kommen den betroffenen ProduzentInnen zugute!

Kuyichi (Jeans)

Unser Partner produziert in Portugal, Türkei, Pakistan und China. Dort werden (nicht nur) zeitlose bio-faire Jeans hergestellt. Es gibt keine verderbliche Saisonware und keinen Sale bei Kuyichi. Sie stellen langlebige Produkte her, die nicht abverkauft werden (müssen).
Das hilft ihnen auch gerade jetzt: bestehende Aufträge bei den HerstellerInnen werden beibehalten, denn die Ware von Kuyichi hat auch nächstes Jahr noch Saison. Derzeit setzt sich das Unternehmen dafür ein, dass auch andere Modeketten ihre Aufträge in den Produktionsländern nicht stornieren, um globale Hilfe für die globale Krise zu schaffen.

Kuyichi: „Wir sehen unsere HerstellerInnen als gleichberechtigte Partner. Deshalb müssen wir auch gemeinsam eine Lösung finden.“

Stanley/Stella (Basic T-Shirts)

Unsere bio-fairen Basic Shirts stammen vom GOTS zertifzierten Hersteller Stanley/Stella. Das Modeunternehmen aus Brüssel hat sich auf Bio-Basic-Mode für Wiederverkäufer, Bedrucker, Vereine, etc. spezialisiert. Produziert wird in Bangladesch. Gerade weil dieses Produktionsland einen schlechten Ruf hat, entschied sich die Firma bewusst für den Standort, um die Arbeitssituation dort zu verbessern.

Stanley/Stella hat sich verpflichtet, während der Covid-19 Krise ihre Aufträge in Bangladesch aufrecht zu erhalten. „Während viele in der Modebranche offenbar Bestellungen stornieren (…), bleiben wir bei Stanley/Stella voll und ganz Bangladesch und seinen Menschen verpflichtet.“ Jean Chabert, Managing Director

Das bedeutet konkret:

  • Sie haben und werden keine offenen Bestellungen bei den Partnerfabriken in Bangladesch stornieren
  • Stanley/Stella wird weiterhin alle Rechnungen ihrer Partnerfabrik bezahlen
  • Sobald sich die Verkäufe wieder einstellen, wird das Unternehmen wieder in Aktion treten und Bestellungen bei den Partnerfabriken aufgeben – und sie dabei unterstützen, wieder auf die Beine zu kommen

Was können wir tun?

Unsere Fair Trade Partner können sich derzeit geradeso rüberretten, weil sie keine Wegwerfmode produzieren und somit Aufträge aufrecht erhalten können. Rosig ist die Situation trotzdem nicht – auch die Fair Fashion Unternehmen müssen bald um ihr Überleben kämpfen. Nur ihr – die KonsumentInnen – könnt beeinflussen, wer in Zukunft weiterhin Mode verkaufen wird. Also macht von dieser Macht Gebrauch!

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